Stickerei

Teil 3 Lochstickerei

Wie der Name schon ausdrückt, bei dieser Art der Stickerei entstehen Löcher – gewollt! Zur Herstellung kann man unterschiedliche Wege beschreiten. Selbst ohne jegliche zusätzlichen Werkzeuge an der Stickmaschine ist es möglich, derartige Stickerei herzustellen. Diese manuelle Technik wird hier jedoch nicht beschrieben.

Vielleicht haben Sie schon einmal den Ausdruck „Madeirastickerei“ gehört. Diese Art der Stickerei fällt in die Kategorie der Lochstickerei. Charakteristisch für die Madeirastickerei sind runde, ovale und spitzovale Lochformen, die z. B. in Form von Blüten und Kränzen, aber auch Schmetterlingsformen angeordnet werden.

Es gibt unterschiedliche Zusätze für Ein- und Mehrkopfmaschinen. Auch hier hängt es vom Maschinenfabrikat ab, welche Bohreinrichtung an Ihrer Maschine installiert werden kann.

The stitch plate has a flexible plate in the front part that covers a hole. A spring-loaded punch with the bore needle inside holds the fabric during the cutting process
The stitch plate has a flexible plate in the front part that covers a hole. A spring-loaded punch with the bore needle inside holds the fabric during the cutting process

Ein Bohrer einer Stickmaschine unterscheidet sich im Aussehen und der Funktionsweise von einem allgemein bekannten Holz- oder Metallbohrer allerdings erheblich. Eine Bohrnadel, kurz Bohrer, für die Stickerei ist nicht spiralförmig und dreht sich auch nicht beim „Bohren“. Die Bohrnadel hat eine schlanke, pyramidenförmige Spitze , deren Kanten mit Schneiden versehen sind. Das Bohren beim Sticken mit dieser Art Bohrnadel ist also eigentlich ein Schneidevorgang. Der Name ist durch das Erzeugen von Löchern in der Handstickerei übernommen worden. Dort wurde das Loch mit einem Werkzeug manuell vorgebohrt, ohne die Gewebsfäden zu verletzen und dann manuell umstickt. Stickmaschinen älterer Generationen arbeiteten auch nach diesem Prinzip und die Lochgröße wurde dort durch die Bohrtiefe bestimmt.

Die Bohrnadel/Bohreinrichtung an modernen Maschinen ist überwiegend an der äußeren rechten Nadelstange installiert. Entweder wird die Bohrnadel direkt anstatt einer Sticknadel in den Nadelhalter eingesetzt; in diesem Fall wird dann auch direkt im Loch der Stichplatte geschnitten. Ein anderes System arbeitet mit einem extra Bohrnadelhalter, der auch mit der Nadelstange verbunden ist. Die eingesetzte Bohrnadel steht dann allerdings vor der Position der jetzt nicht eingesetzten Sticknadel. Zusätzlich wird die normale Stichplatte durch eine eigens für die Bohrfunktion entwickelte Stichplatte ersetzt. Sie ist etwas länger und verfügt über ein zweites Loch, welches mit einem flexiblen Material abgedeckt ist, vor dem eigentlichen Stichloch. Durch den versetzt angebrachten Bohrer trifft dieser beim Bohren genau auf diese flexible Platte.

Am Beispiel einer eingestickten Öse folgen nun die Arbeitsgänge beim Punchen. Zuerst wird eine ringförmige Laufstichlinie mit ca. 2 mm langen Stichen erstellt. Diese Stiche stabilisieren den Stoff beim späteren Übersticken und tragen zum Gelingen einer schönen Öse bei. Dieser Ring kann auch dupliziert werden, die Einstichlöcher sollten allerdings nicht in die des ersten Ringes treffen. Nun folgt die Programmierung des Bohrers, was je nach Punchsoftware etwas unterschiedlich gehandhabt werden muss. Maßgeblich ist, dass die Nadeleinstiche der Bohrnadel, die ja letztlich kleine Einschnitte sind und den Stoff und das Vlies völlig durchtrennen sollen, entweder mit manuellen oder auch Stichen einer Lauflinie von ca. 1 – 1,5 mm Länge angelegt werden. Die Stichlänge richtet sich nach Stickgrund und Vlies und muss im Zweifelsfall vorab getestet werden. Es muss ein Maschinenstopp/Nadelstangenwechsel programmiert werden. Bei kleinen Löchern genügt es, einen kreuzförmigen Schnitt innerhalb des vorher gestickten Ringes zu erstellen. Vorsicht, die Stiche dürfen nicht beschädigt werden, etwas Stoff sollte vor der Linie noch unversehrt bleiben. Nun folgt ein erneuter Stopp, und eine ringförmige Satinraupe von mehreren Millimetern Breite wird über die Stabilisierungsstiche platziert – deren innere Kante reicht sehr dicht zum Zentrum des geschnittenen Loches. Beim Laden des Designs in die Maschine müssen also drei Nadelstangen angesprochen werden: eine zum Sticken der Stabilisierungsstiche, die zweite für den Bohrer und die dritte für die Deckstiche. Ein ovales Loch entsteht durch einen geraden, im Inneren des Ovals über die längere Strecke ausgeführten Schnitt. Mit dieser Technik kann man Löcher von bis zu ca. 10 mm erzielen.

Größere Löcher unterschiedlicher Form sind auch möglich. Hierbei genügen allerdings keine Schnitte. Der Stoff muss richtig ausgeschnitten werden, d. h. bei einem größeren Ring wird kein Kreuzschnitt sondern innerhalb der Stabilisierungsstiche ein Ring von mindestens 2 mm Abstand angelegt. Der verbleibende Stoffrand und die Breite der Satinraupe bestimmen das spätere Aussehen

Beim Bohren muss der Fadenwächter der Maschine abgeschaltet sein. Hierfür gibt es bei Maschinen mit Bohreinrichtung eine Aktivierungsfunktion für den Bohrer, die den Fadenwächter außer Kraft setzt und den Pantografen um den entsprechenden Versatz, typischerweise 12 mm, nach vorne fährt, damit die Bohrnadel genau an der richtigen Stelle im Design schneidet.

Sofern ein Design nur durch Einschnitte entstandene Löcher enthält, wie kleinere Kreise oder Ovale mit/ohne Spitze, kann die Maschine üblicherweise ohne Unterbrechung durchlaufen. Enthält das Design aber größere Löcher, die durch Ausschneiden eines Stoffstückes entstehen, sollte die Maschine spätestens vor dem Beginn der Einfassung der Schnittkanten gestoppt werden, um ausgeschnittene Stoffteilchen zu entfernen.

Klassisch werden Bohrmuster besonders für Gardinen, Tischwäsche und Damenoberbekleidung in gewebten Stoffen eingesetzt, ganz häufig im Zusammenhang mit Weißstickerei. Diese Technik ist aber nicht auf gewebte Materialien beschränkt: Sie funktioniert auch in unseren heutigen Materialien wie Jersey und Polopiqué. Einfache Designs können mit dieser Technik mit Akzenten versehen werden. Eine farbliche Anpassung des Unterfadens an Textil oder Oberfaden kann vorteilhaft sein.

Motif with holes embroidered on Jersey
Motif with holes embroidered on Jersey

Nicht unerwähnt soll eine weitere, mit der Stickmaschine anwendbare Schneidtechnik sein. Sie wird mit den sogenannten „Venere“-Nadeln ausgeführt. Diese Nadeln kommen ursprünglich aus Italien und können u. a. für die oben genannte „Madeirastickerei“ eingesetzt werden. Mit Hilfe dieser Nadeln können auch größere Löcher beliebiger Form exakt und sauber geschnitten werden. Die Nadeln haben eine fischschwanzförmige Schneide. Insgesamt benötigt man 4 dieser Nadeln, um beliebige Formen schneiden zu können. Das bedeutet auch, dass vier Nadelstangen mit diesen Venere-Nadeln in unterschiedlicher Ausrichtung der Schneidspitze (90°, 0°, 135°, 45°) mit Hilfe einer Lehre bestückt werden. Je nach Maschine muss entweder der (Ober- und Unter-) Fadenwächter komplett, oder auch nur der/die Fadenwächter für die betroffenen Nadelstangen abgeschaltet werden. Die Arbeitsabfolge ist identisch wie oben beschrieben, mit der Ausnahme, dass man je nach auszuschneidender Form vor dem Sticken der Deckstiche bis zu drei zusätzliche Nadelstangenwechsel hat.

With these needles it is also possible to cut the holes after embroidering the satin stitches. For this, the cutting edge is positioned about 0.6 mm inside the finished satin-stitch circle.
With these needles it is also possible to cut the holes after embroidering the satin stitches. For this, the cutting edge is positioned about 0.6 mm inside the finished satin-stitch circle.

Über den Autor:
Henry Stümer ist Manager von TexDesign. Neben der Haupttätigkeit, der Beratung und dem Vertrieb für die Stickereibranche, widmet sich TexDesign auch dem regionalen Geschäft der Bekleidungsdekoration. TexDesign wurde 2002 von Henrys Ehefrau Barbara Stümer gegründet. Sie zeichnet sich für den kreativen Teil der Arbeit sowie für die Schulungen verantwortlich. Sie können mit Henry oder Barbara Stümer unter info@texdesign.de Kontakt aufnehmen.